Beim Tauchen vergesse ich meine Behinderung

Ronny Keller über sein neues Leben

Autor: Nicole Vandenbrouck Quelle: Blick.ch Datum:16.01.2015

22 Monate nach seinem schrecklichen Unfall redet Ronny Keller über sein neues, fast «normales» Leben. In dem auch Humor und Sport wieder Platz haben.

Im letzten Spätsommer hat er das Tauch-Brevet mit Bravour bestanden. Und einmal wöchentlich feilt er in Tennisstunden an seiner Vor- und Rückhand. Eigentlich nichts Besonderes im Leben eines 35-Jährigen. Doch für Ronny Keller ist es das.

Noch nicht einmal zwei Jahre sind vergangen seit seinem tragischen Unfall im Playoff-Spiel zwischen Olten und Langenthal. Ein zertrümmerter vierter Brustwirbel beendet am 5. März 2013 die Hockeykarriere des Verteidigers in einem winzigen Augenblick. Der Zürcher erinnert sich, dass er sich danach zunächst überhaupt nicht vorstellen konnte, jemals wieder Sport zu treiben. Rollstuhl-Sport. «In der Reha hatte ich ein Gespräch über Sport», erzählt Keller. Mit Karin Suter-Erath, einer Paraplegikerin, die intensiv Badminton spielt und auch Tennis. Sie überzeugt ihn, einmal Badminton auszuprobieren, nimmt ihn sogar mit zu den Schweizermeisterschaften.

Entschieden hat sich Keller aber für Tennis. Seit letztem Sommer nimmt er Stunden. Mal zusammen mit seiner Frau Nadja (42), mal alleine oder mit anderen Rollstuhlfahrern. Der Tennislehrer, ein Fussgänger, setzt sich dafür auch schon mal in einen Rollstuhl.

«Es ist schön, etwas zusammen mit Nadja machen zu können», schwärmt Keller. Darum hängt das Paar gleich noch einen Tauchkurs an. Tauchen für Paraplegiker? Zwar mit enormem Aufwand verbunden, aber für einen Teil-Gelähmten ein unvergleichliches Gefühl, wie Keller versichert. «Es ist ein total anderes Körpergefühl. Beim Tauchen habe ich zum ersten Mal vergessen, dass ich behindert bin.»

Daran wird er schon im routinierter gewordenen Alltag genug erinnert. Solche Situationen meistert er immer mehr mit Humor. Ein Beispiel? Als Keller auf einem Behindertenparkplatz im Auto auf seine Frau wartet, legt er nicht sofort die entsprechende Parkkarte ins Fenster. «Ein Passant fotografierte dann meine Autonummer und wollte mich wohl anzeigen. Als ich ihn fragte, was das soll, belehrte er mich, dass dies ein Behindertenparkplatz sei. Ich konterte dann, dass ich ja gerne aussteigen würde, wenn ich könnte. Und er entdeckte dann meinen Rollstuhl auf dem Beifahrersitz.» Früher hätte er sich genervt, heute kann er schmunzeln.

«Ich habe entschieden, dass es für mich der bessere Weg ist, mein Leben mit Humor zu nehmen.» Das war nicht immer so. Nach dem Unfall bat er damals seine Eltern und die Schwester, Fotos abzuhängen, die ihn als Fussgänger zeigen. Doch damit sowie mit dem regelmässigen Kontakt zum Eishockey hat der neue Präsident von Hockey Thurgau keine Probleme mehr. «Während den ersten paar Spielen dachte ich noch, dass ich es sein könnte, der da unten spielt», gesteht er. Aber dieses Bedauern verging. An sein früheres Hockeyleben erinnert er sich nun gerne, «ich bin froh um die Erfahrungen und fände es schade, würde ich es ausblenden». Nur ab und zu noch gebe es ihm einen Stich ins Herz, wenn Anekdoten von früher erzählt werden.

Der Verteidiger hätte gerne noch zwei, drei Jahre als Spieler bei Thurgau angehängt. Nun leitet er die Geschicke des Klubs. Als gewählter Präsident, nicht aus Mitleid nominiert. «Da muss man mit Passion dabei sein, man investiert viel Freizeit.» Keller hat seine Zusage wohl überlegt. «Für mich ist es eine vielseitige Tätigkeit und eine neue Erfahrung, die Richtung und Zukunft eines Klubs mitbestimmen zu können.» Er bringt seine sportliche Kompetenz und seine Erfahrung aus seinem Job im Treuhandbüro mit ein. Dort arbeitet Keller in einem 50-Prozent-Pensum – auf fünf Tage verteilt.

Eine Frau, die mit ihm durch Höhen und Tiefen geht. Eine Arbeit, ein Präsidenten-Amt, neue Hobbys. Ein fast «normales» Leben also? «Ich habe alles zum Glücklichsein, so wie ich mir das für die Zeit nach meiner Karriere vorgestellt hatte», so Keller, «nur manchmal ist der Rollstuhl fehl am Platz.»